Rheinbach (IDEA) – Einer Umfrage unter Mitgliedern freikirchlicher Gemeinden in Deutschland zufolge hat jeder Sechste sexuelle Gewalt erlebt. An der Online-Befragung „Sexualisierte Gewalt im freikirchlichen Umfeld“ der Journalisten Daniel und Debora Höly (Rheinbach) nahmen 5.294 Menschen aus dem deutschen freikirchlichen Umfeld teil. Sie wird am 8. Oktober veröffentlicht und liegt der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA exklusiv vorab vor.

Täter stammen häufig aus der Familie
Die Umfrage ist dem Ehepaar zufolge „nicht repräsentativ im wissenschaftlichen Sinne“. Es handele sich um eine journalistische Erhebung und nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung. Ziel sei es, das Ausmaß von Missbrauchserfahrungen im freikirchlichen Umfeld zu verdeutlichen. 873 Umfrageteilnehmer (16 Prozent) gaben an, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden zu sein. 52 Prozent der Missbrauchsbetroffenen schilderten, dass die Täter aus dem nahen familiären Umfeld (Vater, Mutter, Bruder, Ehepartner, Verwandter) stammten. Neun Prozent der Übergriffe wurden den Befragten zufolge von Personen aus dem freikirchlichen Umfeld verübt. Bei Frauen ist der Anteil der Taten innerhalb der Gemeinde höher als bei Männern: Bei elf Prozent der betroffenen Frauen stammte auch der Täter aus
einem freikirchlichen Umfeld, während dies nur bei zwei Prozent der Männer zutraf. Laut den Autoren der Befragung zeigten die Ergebnisse, dass sexuelle Gewalt in Freikirchen keine Einzelfälle seien.

Fünf Prozent erstatteten Anzeige
Die Umfrage zeigt zudem, dass viele Betroffene lange brauchen, um über ihre Erlebnisse zu sprechen. 46 Prozent der Opfer wandten sich erst nach sechs Jahren oder später an eine Vertrauensperson. 13 Prozent haben bis heute mit niemandem über den Missbrauch gesprochen. Zudem gaben 75 Prozent der Befragten an, dass es in ihren Gemeinden keine spezifische Anlaufstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs gibt oder sie nichts davon wissen. 43 Prozent der Teilnehmer berichten, dass das Thema sexueller Missbrauch in
ihrer Gemeinde nicht angesprochen werde. Fünf Prozent der Opfer erstatteten Anzeige oder leiteten rechtliche Schritte gegen die Täter ein. Die Hälfte der Betroffenen (50 Prozent) waren zum Zeitpunkt des ersten sexuellen Missbrauchs zwischen null und zehn Jahre alt. 38 Prozent waren zwischen elf und 17 Jahre alt, 13 Prozent 18 Jahre oder älter.

Forderung: Freikirchen sollten handeln
Die Autoren der Befragung fordern die freikirchlichen Gemeinden auf, sich verstärkt mit dem Thema auseinanderzusetzen, weitere Anlaufstellen zu schaffen und das Thema sexuelle Gewalt offen zu behandeln. „Unsere Hoffnung ist, dass die Umfrage eine Stimme für die Betroffenen und gegen das Schweigen sein darf“, so Daniel Höly. Das Ehepaar Höly führte die Umfrage zwischen dem 23. November 2022 und dem 28. Februar 2023 durch. Die Ergebnisse der Umfrage können unter dunkhellziffer.de heruntergeladen werden.

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